Vielleicht befindest Du Dich aktuell noch mitten in Deiner Physiotherapie-Ausbildung in Stuttgart oder hast Deinen Abschluss gerade frisch absolviert. Die Idee, Dich selbstständig zu machen, klingt wahrscheinlich verlockend. Wer träumt schließlich nicht von einer eigenen Praxis, flexiblen Arbeitszeiten und der Möglichkeit, sein fachliches Können voll zu entfalten? Doch was steckt wirklich hinter dem Wunsch nach beruflicher Freiheit und ist die Selbstständigkeit tatsächlich so lukrativ und erfüllend, wie es oft scheint? In diesem Artikel machen wir eine ehrliche und realistische Bestandsaufnahme, um Dir die Entscheidung für oder gegen eine Selbstständigkeit leichter zu machen.

Inhaltsverzeichnis
- Das Wichtigste in Kürze
- Die finanzielle Realität: Kann ich als selbstständiger Physiotherapeut wirklich mehr verdienen?
- Aufwand vs. Ertrag: Was bedeutet Selbstständigkeit im Physiotherapie-Alltag?
- Fachliche Perspektiven: Bietet die Selbstständigkeit wirklich bessere Entwicklungschancen?
- Die Risikofaktoren: Was kann schiefgehen und wie wahrscheinlich ist das?
- Dein Selbstständigkeits-Check: Bist Du bereit für den Schritt?
Das Wichtigste in Kürze
- Als selbstständiger Physiotherapeut oder selbstständige Physiotherapeutin kannst Du potenziell mehr verdienen, hast aber auch deutlich höhere Ausgaben.
- Neben der Therapie nimmt der administrative Aufwand viel Zeit in Anspruch.
- Du gewinnst an Freiheit, aber auch an Verantwortung für Finanzen, Fortbildungen und Patientenakquise.
- Eine realistische Planung sowie persönliche und finanzielle Voraussetzungen entscheiden maßgeblich über Deinen Erfolg.
Die finanzielle Realität: Kann ich als selbstständiger Physiotherapeut wirklich mehr verdienen?
Steht das Thema Einkommen im Mittelpunkt, lockt die Selbstständigkeit zunächst mit hohen monatlichen Einnahmen. Während Du als angestellter Physiotherapeut oder als angestellte Physiotherapeutin im Durchschnitt mit einem Gehalt zwischen 2.500 und 3.200 Euro brutto im Monat rechnest, haben selbstständige Therapeuten und Therapeutinnen oft beeindruckende Umsatzzahlen von 5.000 bis 10.000 Euro monatlich – und je nach Angebot auch mehr.
Aber Achtung: Umsatz ist noch lange kein Gewinn. Mit eigener Praxis kommen zahlreiche laufende Kosten auf Dich zu, wie Raum- und Energiekosten, Therapieausstattung, Verbrauchsmaterialien sowie Versicherungskosten. Auch Steuern, Sozialabgaben, Instandhaltungskosten und eventuell Gehälter für Angestellte schmälern Deinen tatsächlichen Verdienst enorm. Gerade in der Gründungsphase sind oft Anschaffungen und Investitionen nötig, sodass Du Deine Einnahmen realistisch planen musst. Erfahrungsgemäß dauert es mindestens ein bis zwei Jahre, bis Du Deinen Break-even-Point erreichst – also ab dem Zeitpunkt tatsächlich Gewinne erwirtschaftest.
Besonders lukrativ ist der Schritt in die Selbstständigkeit finanziell, wenn Du eine kostengünstige Praxislösung findest, eine spezialisierte Zielgruppe ansprichst oder Privatpatienten und -patientinnen gewinnen kannst.
Aufwand vs. Ertrag: Was bedeutet Selbstständigkeit im Physiotherapie-Alltag?
Neben den eigentlichen Behandlungen wartet eine ganze Menge Büroarbeit auf Dich – ein Aspekt, der häufig massiv unterschätzt wird. Rechnungen schreiben, Termine vereinbaren, Behandlungen planen und dokumentieren sowie die Kommunikation mit Krankenkassen, Ärzten und Ärztinnen, Behörden und Lieferanten und Lieferantinnen gehören zur täglichen Arbeit dazu. Auch steuerliche Aufgaben, Marketingmaßnahmen und ggf. die Betreuung Deines Personals nehmen viel Zeit in Anspruch. Realistisch betrachtet solltest Du mindestens zehn bis zwanzig Stunden pro Woche extra für administrative Aufgaben kalkulieren.
Auch das Thema Patientenakquise ist entscheidend für Deinen langfristigen Praxiserfolg. Gerade zu Beginn beansprucht die Kundenwerbung viel Energie und Zeit. Zwar kannst Du langfristig gesehen von einem etablierten Patientenstamm profitieren, doch zu Beginn wirst Du viel Engagement und proaktive Maßnahmen benötigen, um Deinen Terminkalender voll zu bekommen.
Eine gesunde Work-Life-Balance? Diese ergibt sich meist erst spät. Arbeitstage werden in den ersten Jahren länger und die Freizeit oft knapp. Erst wenn Deine Praxis richtig etabliert ist und Abläufe effizienter laufen, wirst Du mehr Zeit für Dich selbst gewinnen können.
Fachliche Perspektiven: Bietet die Selbstständigkeit wirklich bessere Entwicklungschancen?
Die freie Entscheidung über Therapieschwerpunkte, Konzepte und Spezialisierungen ist einer der größten Vorteile der Selbstständigkeit. Doch diese Freiheit bringt auch Verpflichtungen mit sich: Du bist selbst dafür verantwortlich, fachlich stets auf dem Laufenden zu bleiben, Fortbildungen durchzuführen und Dich weiterzuentwickeln. Sämtliche Schulungen und Weiterbildungen bezahlst Du selbst, ohne finanzielle Zuschüsse von Arbeitgeberseite.
Eine starke fachliche Spezialisierung kann Dir helfen, Dich klar am Markt zu positionieren, wodurch Du leichter Kunden und Kundinnen gewinnst. Allerdings bedeutet eine zu enge Nische auch Risiken, falls der Bedarf nicht dauerhaft hoch bleibt. Vernetzungen, Kooperationen mit Kollegen und Kolleginnen sowie fachlicher Austausch sind entscheidend, um von gegenseitigen Erfahrungen zu profitieren und langfristig erfolgreich zu sein.
Die Risikofaktoren: Was kann schiefgehen und wie wahrscheinlich ist das?
Bei einer Praxisgründung besteht immer ein finanzielles Risiko. Typische Stolpersteine sind gerade in der Anfangsphase unrealistische Erwartungen an Einnahmen, schlecht kalkulierte Kosten oder Schwierigkeiten in der Patientenbindung. Auch Marktrisiken wie Konkurrenzdruck, schwierige Genehmigungsverfahren bei Kassen oder gesetzliche Änderungen musst Du stets beachten.
Ebenfalls kritisch ist das Gesundheitsrisiko. Was passiert, wenn Du ernsthaft krank wirst oder Dir etwa ein Unfall passiert? Die Einnahmen fallen dann möglicherweise komplett weg. Um dieses Risiko abzufedern, solltest Du unbedingt entsprechende Versicherungen (wie für das Krankentagegeld) abschließen.
Positiv ist jedoch, dass eine Rückkehr ins Angestelltenverhältnis im Falle eines Scheiterns gut möglich ist, denn Deine praktischen Erfahrungen werden bei zukünftigen Arbeitgebern und -geberinnen geschätzt.
Dein Selbstständigkeits-Check: Bist Du bereit für den Schritt?
Zum Abschluss solltest Du ehrlich überprüfen, ob Du persönlich für den Schritt in die Selbstständigkeit bereit bist. Dazu zählen Eigenschaften wie Durchhaltevermögen, Eigeninitiative, Belastbarkeit, Organisationstalent und die Bereitschaft, Verantwortung und Risiko zu tragen.
Auch finanziell solltest Du solide aufgestellt sein: Rücklagen für schlechte Zeiten, ein klar geplantes Budget sowie ein überlegtes Finanzmanagement sind unverzichtbar, um den langfristigen Erfolg sicherzustellen. Eine nebenberufliche Selbstständigkeit bietet Dir zudem einen sanften Übergang und die Möglichkeit, die Realität ohne vollen finanziellen Druck kennenzulernen.
Nutze eine Entscheidungsmatrix, um sämtliche Vor- und Nachteile Deiner geplanten Selbstständigkeit gegenüberzustellen und eine bewusste Entscheidung treffen zu können – so sorgst Du von Anfang an für optimale Voraussetzungen Deines beruflichen Erfolgs.
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